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Häufig gestellte Fragen zum Thema politische Gefangene

Stand 12. Februar 2020

Wer sind die politischen Gefangenen?

Die prominentesten Gefangenen sind die ehemaligen Mitglieder der katalanischen Landesregierung um den Vizepräsidenten Oriol Junqueras, dazu die Parlamentspräsidentin Carme Forcadell sowie Jordi Sànchez und Jordi Cuixart, die Vorsitzenden zweier großer Vereine, die Kundgebungen organisierten. Es laufen aber gegen tausende weitere Personen Verfahren. Von den über 700 Bürgermeistern, in deren Gemeinden beim Referendum 2017 abgestimmt wurde über Demonstrationsteilnehmer auch in Madrid bis zur Führung der katalanischen Polizei. Durch neue Urteile und vereinzelte Entlassungen aus der Untersuchungshaft ändert sich die Liste beständig.

Neben den tatsächlich Inhaftierten sind von der politischen Verfolgung durch die Justiz auch noch zahlreiche Personen betroffen, die wegen dieser Verfolgung ins Exil nach Belgien, Schottland oder in die Schweiz gegangen sind. Hier ist das prominenteste Beispiel der ehemalige Präsident Kataloniens, Carles Puigdemont.

Warum „politische“ Gefangene?

Wenn jemand im Rahmen eines gewerkschaftlichen Streiks eine Straße sperrt, dann bekommt er dafür normalerweise ein Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit. Menschen, die im Rahmen der Proteste gegen die Verfolgung der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung Straßen sperren, werden von schwerbewaffneten Sondereinsatzkommandos im Morgengrauen aus dem Bett geholt, nach Madrid geschleppt und wegen Terrorismus angeklagt. Wenn dasselbe Verhalten derart unterschiedlich behandelt wird, können die Gründe nicht juristische sein. Und wenn die überzogenen Anklagen durchgängig eine politische Bewegung treffen, dann muss die Motivation eine politische sein.

Spätestens seit 2015 ermitteln Staatsanwaltschaft und Guardia Civil gegen die Unabhängigkeitsbewegung im Allgemeinen. Dass sie im Referendum von 2017 einen gewalttätigen Aufstand oder Aufruhr sahen, ist fast unabhängig von den tatsächlichen Ereignissen; von dem Tatbestand sprachen sie schon Monate vorher. Dass die gesamte Landesregierung und zahlreiche weitere Menschen wegen der Durchführung eines Referendums zu bis zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt wurden, steht in keinem Verhältnis zu ihren Taten und ist politisch motiviert.

Was sagen internationale Organisationen?

Bereits während des Verfahrens stellte die UN-Arbeitsgruppe zu willkürlichen Verhaftungen fest, dass die zweijährige Untersuchungshaft unverhältnismäßig und wohl auch politisch motiviert war. Sie forderte Spanien auf, die Angeklagten sofort freizulassen. Spanien ignorierte diese Forderung eines UN-Gremiums einfach.

Nach dem Ende des Prozesses befasste sich Amnesty International ausgiebig mit dem Urteil. In einer Stellungnahme wurde festgestellt, dass die Verurteilung von Jordi Sànchez und Jordi Cuixart jeglicher Grundlage entbehre und eine Gefahr für die Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung darstelle. Ihre sofortige Freilassung wurde gefordert.

Dieselben Grundrechte sieht der Europarat angegriffen und hat einen Berichterstatter nach Katalonien entsendet. Dazu kommen Solidaritätserklärungen von Parlamenten und Parlamentariern vieler Länder und Etliches mehr. Bislang ignoriert Spanien all diese Stimmen.

Wie ist so etwas in einem Land der EU möglich?

Die europäischen Mühlen mahlen langsam und normalerweise erst, wenn alle nationalen Instanzen ausgeschöpft sind. Eine Überprüfung des Urteils aus dem großen Prozess gegen die Mitglieder der Landesregierung durch ein europäisches Gericht käme wohl erst in fünf oder sechs Jahren zu einem Ergebnis. Grundsätzlich wird erst einmal davon ausgegangen, dass die Justiz eines Landes, das den Aufnahmeprozess durchlaufen hat, korrekt arbeitet und nur ganz vereinzelt überprüft werden muss.

Immerhin hat der EUGH schon beschieden, dass es nicht rechtens war, das Verfahren gegen Oriol Junqueras nach seiner Wahl ins Europaparlament trotz der erworbenen Immunität einfach fortzusetzen. In der Folge erkannte das Parlament mehrere katalonische Abgeordnete gegen den Willen der spanischen Wahlkommission als Parlamentarier an. Es wächst also auch auf europäischer Ebene die Erkenntnis, dass der spanischen Justiz in dieser Angelegenheit nicht zu trauen ist.

Warum urteilen die Gerichte politisch?

Die Nominierung der Richter in den obersten Gerichten ist stark von der Politik abhängig. Diese wiederum wurde lange von der rechtsnationalistischen PP dominiert. Der Vorsitzende Richter im Verfahren gegen Junqueras und die anderen, Manuel Marchena, musste kürzlich seine Bewerbung um ein noch höheres Amt zurückziehen. Es wurden SMS publik, in denen die PP beschrieb, wie sie durch ihn das ganze Gericht unter Kontrolle haben würde. Der Untersuchungsrichter desselben Verfahrens, Pablo Llarena, kam in sein Amt, weil er jahrelang Vorsitzender einer besonders konservativen Richtervereinigung war. Dadurch, dass die Anklagen immer auf schwere Verbrechen wie Aufstand und Terrorismus lauten, landen die Verfahren häufig direkt vor den höchsten Gerichten in Madrid bei solchen Richtern.

Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es?

Wie schon angesprochen könnte ein europäisches Gericht erst nach vielen Jahren Haft für Gerechtigkeit sorgen. Viele „kleinere“ Angeklagte haben nicht einmal die Möglichkeit, ein solches Gericht anzurufen. Dass das Tribunal Suprem sein eigenes Urteil aufhebt ist praktisch unmöglich.

Damit kommt fast nur eine Begnadigung durch die Zentralregierung oder eine Amnestie durch das Parlament in Frage. Um darum zu bitten, müssten die Gefangenen erst einmal ihre Schuld anerkennen und um Verzeihung bitten. Die meisten werden sich sicher nicht für Verbrechen entschuldigen, die sie nicht begangen haben. Allerdings hätte Spanien Spielraum solche Maßnahmen auch einseitig zu ergreifen.

Warum Kundgebungen in Deutschland?

Seit Jahren bestimmt der Katalonienkonflikt das politische Geschehen in Spanien. Dennoch ist man einer Lösung keinen Schritt näher gekommen. Da die Zentralregierung praktisch nicht einmal mit der Unabhängigkeitsbewegung spricht, ist auch weiterhin kein Fortschritt absehbar. Eine internationale Vermittlung, für die sich auch schon etliche Institutionen und Personen angeboten haben, wäre am vielversprechendsten. Darum macht es Sinn, gerade auch außerhalb Spaniens zu informieren und zu protestieren.

Über dieses Dokument

Im Rahmen mehrerer Veranstaltungen des CDR Bremen habe ich zuletzt mit recht vielen Menschen Gespräche über die Situation der politischen Gefangenen in Spanien geführt. Dabei tauchen meist dieselben Fragen immer wieder auf. Daraus ist der Gedanke entstanden, diese hier zusammenzutragen.

Das Kopieren, Verändern und Verwenden dieses Textes ist jedem in jeder Form gestattet.

Weitere Texte zu diesem Thema finden sich auch in meinem Blog.